Der Seelsorger des Eltingviertels

Es sind vor allem die Kinder, die Winfried Rottenecker am Herzen liegen. Wie eine Traube umringen sie den Diakon der St. Gertrud-Pfarrei, der sich geduldig in ihre Mitte stellt.

In der Nordviertelschule, der größten Grundschule der Stadt, unterrichtet Rottenecker katholische Religionslehre. „Die Kinder brauchen viel Unterstützung, aber mindestens genauso viel Zuwendung“, sagt er und spricht vom Reichtum der Kinder, deren Potenzial nur entdeckt und gefördert werden müsse. Über 25 Nationen sind an der Schule vertreten, „und jedes Kind bringt seine eigene Geschichte und seine eigenen Lebensweisheiten mit“.

Rotteneckers Engagement an der Schule ist nicht seine einzige Tätigkeit. In seiner Gemeinde, für die er seit sieben Jahren arbeitet, hat er ein engmaschiges Hilfenetz ins Leben gerufen. Ob Deutschkurse, Alphabetisierungskurse, Hausaufgabenhilfe, Kindertisch, Hilfe bei Anträgen oder Kochkurse - jeden Nachmittag steht die St. Gertrud-Kirche für die Menschen des Nordviertels offen. Religionszugehörigkeit spielt dabei keine Rolle.

Lange hat es gedauert, bis Rottenecker das Vertrauen der Familien gewinnen konnte. Inzwischen kennt der Diakon das ganze Nordviertel, werden seine Angebote gerne und gut angenommen. Allein die Alphabetisierungskurse, die drei Mal in der Woche in den Räumen der Kirche stattfinden, sind immer voll.

Die meisten, die hierher kommen, sind von Transferleistungen abhängig, sind aus ihrer alten Heimat vor Not, Armut und Verfolgung geflohen. „Hier habe ich gelernt, dass Beziehungen weitaus wichtiger sind als Gegenstände“, sagt er und erzählt von gutbürgerlichen und gut gebildeten Familien, die durch einen Krieg alles verloren haben.

Doch jetzt bewegen Winfried Rottenecker andere Dinge: Er fürchtet, dass die von der Deutschen Annington geplante Sanierung des Eltingviertels genau diese Familien früher oder später vertreiben wird. „Nach der Renovierung werden diese Wohnungen für die Menschen nicht mehr bezahlbar sein“, glaubt er. Denn die Entscheidung, ob eine Wohnung vom Job-Center bezahlt wird, sei von der Kaltmiete abhängig. Und genau die will die Deutsche Annington sukzessive erhöhen.

„In jahrelanger Arbeit, auch mit Unterstützung der Stadt, ist es uns gelungen, den Familien die Hilfen zukommen zu lassen, die sie benötigen. Macht es da Sinn, diese Menschen in Bezirke zu verdrängen, wo es diese Fördermöglichkeiten nicht gibt?“, klagt er an.

Dabei gebe es noch viel zu tun im Eltingviertel. So macht sich Rottenecker stark für Deutsch-Einsteigerkurse an der Nordviertelschule, will in der Gemeinde ein Selbstbewusstseins-Training für die Frauen einrichten. „Ich werde mich auch weiterhin für die Menschen im Viertel einsetzen“, verspricht er. 

(Vera Eckardt, WAZ Essen, Mai 2015)