Vom „Schwitzkasten“ zur Kirche

Stephan Koch steht mit beiden Beinen im Leben und kennt Menschen in sämtlichen Lebenslagen: Er war Polizist, hat schon eine Mucki-Bude betrieben – und ist nun der neue Beauftragte für Flüchtlinge und Zuwanderer der katholischen Stadtkirche. Seit Januar hat die katholische Kirche in Duisburg das Amt eingerichtet, „weil es ein wichtiges Thema ist, mit dem sich Kirche beschäftigen sollte und viele unserer Ehrenamtlichen sich bereits für Flüchtlinge engagieren“, erklärt Daniel Wörmann, Vorsitzender des Katholikenrats in Duisburg.

Mit Stephan Koch habe man den richtigen Mann gefunden. Der Diakon kennt die Arbeit bereits als ehrenamtlicher Sprecher des Runden Tisches in Neudorf, engagierte sich früh als Nachbar mit anderen Mitstreitern, bevor das Asyl an der Memelstraße eingerichtet wurde. Und auch die Nöte der Zugewanderten sind ihm vertraut. Zuletzt kümmerte er sich im Auftrag der Wirtschaftsbetriebe um Schrottimmobilien, in denen etwa Bulgaren und Rumänen wohnten.

„Ich bin katholisch sozialisiert, war Messdiener“, erinnert sich der heute 44-Jährige, der nach der Schule nie ein Theologie-Studium in Erwägung zog, sondern 1989 zur Bundespolizei ging. „Da stand die Mauer noch“, erinnert er sich. Nach fünf Jahren ließ sich Koch wieder aus dem Beamtenverhältnis entlassen – er wollte lieber Politik studieren und kam deshalb aus seiner Heimat Kaiserslautern nach Duisburg. Die Vorlesungen fand er interessant, trotzdem war er nur selten an der Uni. Nebenbei betrieb Koch nämlich ein Programmkino in Kaiserslautern und ein Fitnessstudio in Duisburg an der Claubergstraße – den „Schwitzkasten“. „Wir waren kein typisches Studio. Eher eins von der Sorte, wo Studenten erstmal nach vier Monaten Trainingspause einen Kaffee an der Theke trinken und anschließend direkt zum Entspannungsprogramm in die Sauna übergehen.“ Seine Kommilitonen traf er eher beim Sport als im Hörsaal. „Die halbe Uni war da.“

Das Studio lief gut, trotzdem musste der „Schwitzkasten“ 2006 dicht machen, als das „Forum“ gebaut wurde. Koch heuerte deshalb eine Freibad-Saison als Rettungsschwimmer bei den Wirtschaftbetrieben an. Kurze Zeit später eröffnete das Rhein-Ruhr-Bad. „Das war praktisch, da konnte ich 20 Stunden arbeiten und parallel im Fitnessstudio.“ Immer wieder bekam Koch weitere Aufgaben übertragen und empfahl sich so für andere Jobs bei den Wirtschaftsbetrieben. So saß er als zuständiger Sachbearbeiter in der Taskforce für Problem-Immobilien, kümmerte sich etwa um das Müll-Thema rund um die Häuser und schaute sich die Wohnungen an. Seitdem weiß er übrigens, dass der ehemalige Problemhaus-Besitzer und Bordell-Betreiber Branko Barisic katholisch ist. „Ich habe ihm gesagt, dass ich als Katholik mit seinen Geschäftsmodellen gewisse Probleme habe. Da hat er mir dann erzählt, dass er auch Katholik sei.“

Als Diakon koordiniert er die Arbeit

Privat pflegte Koch seine spirituelle Seite, machte etwa Entspannungs-Urlaub in einem Franziskaner- Kloster. Danach schrieb er sich für einen Fernkurs Theologie an der Akademie Domschule Würzberg ein und erfuhr, dass es als Diakon auch eine Möglichkeit gibt, für verheiratete Männer einen Job bei der Kirche zu bekommen. „Der Diakon arbeitet dem Priester zu.“ In den 1960er Jahren wurde das Amt für verheiratete Männer wieder eingeführt. „In der Kirchengeschichte sind 50 Jahre relativ wenig. Es gibt immer wieder Diskussionen darüber, wie das Amt des Diakons auszuführen ist.“ Parallel zu seinem Job bei den Wirtschaftsbetrieben ließ er sich also sieben Jahre lang am Erzbischöflichen Diakoneninstitut in Köln ausbilden. 2013 wurde Koch zum Diakon geweiht und 2015 hauptberuflich angestellt. „Das war eine Ausnahme, normalerweise erfolgt so eine Übernahme erst später“, erklärt er.

Mit einer viertel Stelle übernimmt der Neudorfer nun Gemeindeaufgaben in St. Ludger und St. Gabriel, führt beispielsweise Taufen durch, verheiratet Paare oder gestaltet Beerdigungen. „Der Diakon ist der Dienende Christus’, nah bei den Menschen. Zum Glück begreift unsere Pfarrei die Stelle des Diakons nicht als liturgischen Kleiderständer, sondern eher im sozialpastoralen Auftrag.“ So versteht er denn auch die restlichen Prozent seiner Stelle, mit denen er für die Stadtkirche die katholische Notfallseelsorge koordiniert und eben die Flüchtlingsarbeit. „Wir haben uns zwar mal zu Konferenzen getroffen, aber die Ehrenamtlichen sind schon zu sehr eingebunden, und haben nicht noch Lust, an weiteren Treffen teilzunehmen“, weiß der Diakon.

Also bringt Koch die Ansprechpartner von Caritas, Katholischer Jugend und Familienbildungsstätten zusammen, überlegt, wie Unterstützungsangebote für die Ehrenamtlichen gestaltet werden können. Zudem ist er Ansprechpartner für die Stadt – die kennt er ohnehin alle von früheren Jobs.

Fabienne Piepiora, WAZ 30.3.2016